Profil Niederwenigern

GeoRoute Ruhr

Wenige Kilometer nördlich der Isenburg, am Prallhang der Ruhr, können wir entlang der Strasse Niederwenigern – Hattingen 3,75 Millionen Jahre Erdgeschichte betrachten. Auf einer Strecke von etwa zwei Kilometern ist dort die wohl längste zusammenhängende oberirdisch zu findende Gesteinsschichten-Folge des Ruhrgebietes zu sehen. Das mächtige Gesteinspaket dokumentiert darüber hinaus eine reiche Formenvielfalt der Gesteinsfalten.

An der Wasserstraße in etwa 250 m Entfernung liegt ein 3-4 t schwere Findling, der Heidenstein.

Steinbruch
Sandsteinbruch im Profil Niederwenigern. © GeoPark Ruhrgebiet

Weitere Informationen

Der Aufschluss ist der Geostopp 33 der

GeoRoute Ruhr

Earthcaches

Flöz Dreckbank und mächtiges Gesteinspaket

In der Nähe

Historische Altstadt von Hattingen

LWL Industriemuseum Henrichshütte

 

 

Standort

Adresse: Isenbergstraße 69, Hattingen (Gasthaus mit Parkplatz)
UTM-Koordinaten (Zone 32): RW: 371123 HW: 5695644
ÖPNV: Bushaltestelle Isenbergbach (50 m)

Zeichnung Geologisches Profil.
Geologisches Profil.

Links und Literatur

Geologisch-Geomorphologische Exkursion des Bochumer Botanischen Vereins im Ruhrtal am Isenberg am 03.11.2013 mit Till Kasielke

Exkursionsbericht

 

 

Zu diesem Geotop

Flöz Wasserbank und Gottessegen-Sandstein

In der Böschung unmittelbar hinter der Rückseite des Gasthauses "Zum Deutschen" liegt ein kleiner Steinbruch. Dort sieht man zwei Kohleflöze, annähernd senkrecht stehen. Sie gehören zur Flözgruppe „Wasserbank“ der Sprockhöveler Schichten. Diese Flözgruppe besteht im allgemeinen aus drei oder vier Flözen, von denen eins meist abbauwürdig war. So befanden sich auch hier die Stollen „Freundschaft“ aus dem 19. Jahrhundert und die Kleinzeche „Winzermark“, in der unmittelbar nach den Zweiten Weltkrieg noch für kurze Zeit Nachlesebergbau betrieben wurde. Die Stollenmundlöcher sind heute nicht mehr zu erkennen.

Kohlestreifen
Flöz Wasserbank. © GeoPark Ruhrgebiet

Folgen wir nun dem Weg hinter dem Gasthaus weiter in südliche Richtung, gelangen wir in immer ältere Schichten. Zunächst erschließt ein verfallener alter Steinbruch die Sandsteine unterhalb der Wasserbank-Flöze, ebenfalls fast senkrecht stehend. Eine weitere, etwas dünnere Sandsteinbank tritt in einem kleinen Steinbruch direkt am Weg auf, kurz nachdem wir die Trasse der Stromleitung gequert haben. Es könnte sich hierbei um den sogenannten „Gottessegen-Sandstein“ handeln (so benannt nach dem Flöz „Gottessegen“, das hier aber nicht zur Ausbildung gekommen ist). Noch ein kurzes Stück weiter tritt dann schließlich, immer noch sehr steil nach Norden einfallend, der Kaisberg-Sandstein auf. Er gehört bereits zu den Kaisberg-Schichten. Haben bislang die harten Sandsteinbänke einen steilen Berghang geformt, so bildet sich nun eine deutliche Einmuldung aus, in der ein Hausgrundstück liegt. Folgen wir dem Weg in südlicher Richtung weiter, so erscheint bald auf der rechten Seite in einem alten Steinbruch erneut der Kaisberg-Sandstein, der hier aber relativ flach nach Süden geneigt ist.

Stockumer Hauptsattel

Im Bereich des kleinen Quertals (Balkhauser Tal) haben wir offenbar den Kern einer nach oben gewölbten Gesteinsfalte (Sattel) durchlaufen. Im Sattelkern kommen Tonsteine vor. Tonstein ist im Gegensatz zu Sandstein wesentlich „weicher“. Der geologische Prozess der Verwitterung (Zerkleinerung von Gestein durch physikalische, chemische oder biogene Prozesse) kann einen Tonstein wesentlich schneller angreifen als einen Sandstein. Der im Sattelkern vorkommende Tonstein wurde durch die Verwitterung Schritt für Schritt ausgeräumt, so dass dort im Laufe der Zeit an Stelle der Gesteinsaufwöbung das Balkhauser Tal entstand. Ein solcher Vorgang, bei dem wegen der unterschiedlichen Härte des Gesteins aus einem geologischen Sattel ein Tal wird, wird als „Reliefumkehr“ bezeichnet.

Weiter in nördlicher Richtung folgt eine nach unten gewölbte Gesteinsfalte (Mulde). Es erfordert ein bisschen Geduld, den Verlauf dieser nur schwer erkennbaren Mulde zu finden. Der anschließende Sattel ist dagegen deutlich ausgeformt und auffällig. Der Sandstein, der uns in diesem Sattel entgegentritt, ist der Finefrau-Sandstein. Im Gegensatz zu der stark nordvergenten Falte des Stockumer Sattels, ist dieser unbenannte Sattel annähernd symmetrisch. Beide Sattelflanken sind gleich stark gegen die Horizontale geneigt. Sie sind im Prinzip spiegelbildlich zueinander.

Entlang des Weges zwischen Niederwenigern und Hattingen lassen sich die verschiedenen Faltenformen gut studieren. Die erste Falte, die wir bisher gesehen haben ist der Stockumer Hauptsattel. Er scheint offenbar leicht gekippt, d.h. die eine Sattelflanke (die beiden Seiten einer Falte werden als Flanken bezeichnet) steht steiler als die andere. Eine solche asymmetrische Falte nennt man „vergente Falte“. Da der Stockumer Hauptsattel hier Richtung Norden gekippt ist, wird er als „nordvergente Falte“ bezeichnet.

Leinpfad und Ruhrschiffahrt

Wir kehren nun zum Gasthaus „Zum Deutschen“ zurück, wobei wir entweder den Weg benutzen, den wir gekommen sind, oder dem historischen Leinpfad folgen, der jenseits des Campingplatzes und der Landstraße unmittelbar am Ruhrufer entlang führt. Über den Leinpfad zogen früher Pferde die Ruhrschiffe (sogenannte Aaken) stromaufwärts. Die Ruhr war in den Jahren zwischen 1776 und 1780 vom Rhein bis Langschede bei Fröndenberg schiffbar gemacht worden. Hierzu wurden insgesamt 16 Stauwehre mit Schleusen errichtet, durch die der Wasserstand des Flusses reguliert werden konnte.

Die Ruhr entwickelte sich rasch zum Haupttransportweg für die Kohle, die im Ruhrtal und den Seitentälern gewonnen wurde und war zeitweilig die meistbefahrene Wasserstraße der Welt! Während die unmittelbar am Fluss gelegenen Stollenzechen nun direkten Zugang zum Hauptverkehrsmittel hatten, wurden von den abseits gelegenen Gruben Transportwege (die Kohlenstraßen), Schlepp- und Pferdebahnen zur Ruhr gebaut. Am Flussufer wurden die Kohlen in sogenannten Kohlenniederlagen zwischengelagert und dann per Schiff zum Rhein transportiert, über den sie die Abnehmer im Norden und Süden erreichten.

Erst mit dem Aufkommen und raschen Ausbau der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts verlor die Ruhrschifffahrt ihre Bedeutung und kam bald ganz zum Erliegen. Während die Ruhraaken seinerzeit stromab die gesamte Strecke bis (Duisburg-)Ruhrort in zwei Tagen bewältigten, benötigten sie stromauf mindestens drei Tage. Die Benutzung von Segeln war in Anbetracht des doch recht schmalen Flusses und seiner vielen Windungen nur begrenzt möglich und so mussten die Schiffe eben durch Zugtiere an Land bewegt werden. Gerade hier im Bereich der Hattinger Ruhrschlinge hat sich der historische Leinpfad gut erhalten, teilweise noch mit der originalen Pflasterung.

Sättel und Mulden im Norden der Gaststätte

Wenden wir uns nun vom Gasthaus aus nach Norden, wobei wir den neben der Landstraße entlangführenden Fußweg benutzen. Hinter einem kleinen Quertal, das ebenfalls durch das Auftreten weicherer Gesteine im Grenzbereich zwischen den Sprockhöveler und Wittener Schichten verursacht wird, steht in der Straßenböschung dann der mächtige „Mausegatt-Sandstein“ an. Das dazu namengebende Flöz ist nicht mehr zu erkennen. Vielleicht wurde es oberflächennah komplett abgebaut oder ist wegen der leichten Verwitterbarkeit der Kohle nicht mehr vorhanden.

Eine solche Schichten-Wiederholung wird durch Störungen im Gestein verursacht, die einzelne Schichtpakete übereinander schieben. Hier handelt es sich um die sogenannte „Satanella-Überschiebung“. An dieser Störung, die sich aus dem Gebiet südlich von Essen-Kupferdreh bis in den Raum Dortmund verfolgen lässt, wurden ältere Schichten auf jüngere geschoben, sodass sich an der Erdoberfläche das Schichtpaket wiederholt. Hier in diesem Bereich beträgt der Höhenversatz der Schichten rund 300 Meter. Ein  solcher geologischer Prozess läuft in sehr langsamen Zeitdimensionen ab, sodass er für das menschliche Auge quasi unsichtbar ist. Was wir heute allerdings gut sichtbar erkennen können, ist das Balkhauser Tal, das dem Verlauf der Satanella-Überschiebung folgt. Das Balkhauser Tal dürfte seine Entstehung der Zerrüttung des Gesteins im Bereich der Störungszone verdanken. Auch auf seiner Westseite wird der Isenberg von einer Störung begleitet. Ihr Verwurf ist aber deutlich kleiner als der der Satanella-Überschiebung. Die Kuppe des südöstlich anschließenden Heinenbergs wird bereits vom jüngeren Wasserbank-Sandstein gebildet.

Foto mit eingezeichneter Falte
Sattel im Finefrau-Sandstein © GeoPark Ruhrgebiet

Bergbauspuren

Im nun folgenden Steinbruchareal erkennen wir eine weitere Schichtenverbiegung: Die hier auftretenden Sandsteine und Kohleflöze der Girondelle-Gruppe liegen teilweise fast flach, ehe die Schichtung dann nach Norden umbiegt. Eine solche Schichtenverbiegung, bei der keine ausgeprägte Sattel- oder Muldenstruktur auftritt, wird als „Monokline“ bezeichnet. In der Böschung ist nun das vermauerte Mundloch des Stollens der Grube „Isenberg“ zu erkennen, die um 1855 in Betrieb war und etwa 200 m Länge erreichte. Zahlreiche kleine Bodenvertiefungen in der Böschung, sogenannte Pingen, zeugen davon, dass hier weitere Flöze an der Geländeoberfläche abgeschürft wurden. Die Schichten stehen nun wieder annähernd senkrecht, wie besonders eine Sandsteinbank in einem weiteren kleinen Steinbruch erkennen lässt.

Im anschließenden Abschnitt liegt nun eine ganz enge Einmuldung vor, die Baaker Mulde. Die Flanken der Baaker Mulde stehen fast senkrecht und verlaufen annähernd parallel. Man spricht in solch einem Fall von isoklinaler („gleichwinkeliger“) Faltung. Der Muldenkern liegt etwas nördlich vom Bushaltestellenschild bei Straßenkilometer 3,4. Die Schichten, die hier zu sehen sind, gehören zur Partie um Flöz Sonnenschein, das schließlich in der Straßenböschung direkt am Anfang der Kurve angeschnitten ist. (Vorsicht, Straßenverkehr, die Kurve ist sehr unübersichtlich!). Auch Flöz Sonnenschein wurde hier im 19. Jahrhundert abgebaut, das Mundloch des Stollens „Aetna und Gutglück“ dürfte dem Straßenausbau zum Opfer gefallen sein. 

Wer war nun aber der „Falter“, der die Gesteinsschichten in so unterschiedliche Formen bog? Im Laufe der Oberkarbonzeit rückte das Variszische Gebirge ganz langsam nach Norden vor. Beginnend mit der Schüttung der Kaisberg-Schichten im Zeitabschnitt Namur C (vor ca. 317 Mio. Jahren; Aufschlüsse 5 und 7) hatte das Gebirge über lange Zeit den Abtragungsschutt geliefert, mit dem das nördlich davon gelegene Meeresbecken allmählich aufgefüllt wurde. Mit dem Vorrücken des Gebirges wurde aber am Ende des als Westfal bezeichneten Zeitabschnittes der Südrand des Ruhrbeckens mit in die Gebirgsbildung einbezogen. Dabei wurden die Schichten um etwa die Hälfte ihrer ursprünglichen Länge zusammengestaucht, gefaltet und an großen Störungen übereinander geschoben. Mit diesen Bewegungen kam die variszische Gebirgsbildung zum Abschluss: Dieselben Schichten, die hier am Südrand des Ruhrbeckens noch intensiv verfaltet sind, liegen am Nordrand des Ruhrgebietes, außerhalb des Variszischen Gebirges, fast flach.

Text: V. Bartolović, G. Drodzewski, V. Wrede

Logo und Leute vor Felswand mit Logo

GeoRoute Ruhr

Streckenwanderung entlang des Ruhrtals über insgesamt 180 Kilometer Länge mit 148 geologischen und touristischen Geostopps. Die Route wird vom GeoPark Ruhrgebiet betreut.

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