Nationales Geotop Geologischer Garten in Bochum
300 Millionen Jahre Erdgeschichte in einem Park
Der Geologische Garten in Bochum ist eine kleine Parkanlage in einem ehemaligen Ziegeleisteinbruch, die ganzjährig eintrittsfrei zugänglich ist. Die unbewachsenen Steilwände bieten einen hervorragenden Einblick in die erdgeschichtliche Entwicklung des Ruhrgebiets, die auf Infotafeln erläutert wird. Die zentrale Rasenfläche lädt zum Spielen und Picknicken ein.
Video der Stadt Bochum
Im Geologischen Garten ist die Grenze zwischen den gefalteten Schichten des Steinkohlengebirges (Oberkarbon) und dem flach darüber liegenden Deckgebirge aus Meeresablagerungen der Kreidezeit sehr gut erkennbar. Das rund 100 Mio. Jahre alte Deckgebirge, welches im Süden des Ruhrgebiets fehlt, wird nach Norden hin kontinuierlich mächtiger. Hier mussten die Bergbauschächte folglich tiefer angelegt werden, um die Steinkohle darunter zu erreichen. Im Park können zudem Kohleflöze, Abgüsse von versteinerten Bäumen der Steinkohlenzeit, eiszeitliche Findlinge aus Skandinavien und weitere Spuren der hier über 300 Mio. Jahre alten Erdgeschichte entdeckt werden. Bei der Bepflanzung wurde unter anderem auf „lebende Fossilien“ wie Gingko und Mammutbaum zurückgegriffen.
Infos
Rundweg: 500 m / 5 m, 17 Stationen mit Infotafeln
Adresse: Querenburger Straße 35 oder Am Dornbusch 20, 44789 Bochum
UTM-Koordinaten (Zone 32): RW: 377338 HW: 5703461
ÖPNV: Bushaltestelle Aral-Forschung (400 m)
Führungen / Pädagogische Angebote
Der GeoPark Ruhrgebiet und die Stadt Bochum bieten Führungen im Geologischen Garten an. Die Stadt Bochum hat 2023 eine Umweltrallye für den geologischen Garten entwickelt und einen ausführlichen Exkursionsführer herausgegeben, die beide als PDF zum Download verfügbar sind.
Zu diesem Geotop
Überblick
Überblick
Kommt man vom Parkplatz an der Querenburger Straße her über den Sportplatz zum Geologischen Garten, so ist es für einen ersten Überblick empfehlenswert, bis in die Mitte des Geländes zu gehen. Von dort aus kann man mit einem Rundblick die größeren Strukturen in den Gesteinen gut erkennen. In den felsigen Böschungen sind im Wesentlichen zwei Bereiche voneinander zu unterscheiden: Zunächst erkennen wir in den beiden unteren Dritteln der Böschungen steil aufgestellte Gesteinsschichten. Sie sind mit etwa 60° gegen die Horizontale geneigt. Dagegen sind im oberen Drittel der Felswand flachliegende Gesteinsschichten zu sehen. Die steilstehenden Gesteinsschichten wurden von den flachliegenden Schichten messerscharf und nahezu horizontal „abgeschnitten“.
Flöz Wasserfall und Meeresfossilien
Flöz Wasserfall und Meeresfossilien
Nach diesem ersten Überblick können wir mit einem Rundgang an einigen interessanten Haltepunkten die Erdgeschichte hautnah erleben: Wir beginnen den Rundweg an der dem Eingang gegenüber liegenden Ostwand der ehemaligen Ziegeleigrube. Hier sehen wir eine dunkle Schicht. Es handelt sich um das Flöz Wasserfall. Es ist ein unreines Flöz mit Brandschiefer, das heißt die hier auftretende Steinkohle ist so stark mit Ton verunreinigt, dass sie als Brennstoff nicht zu verwerten war. Über Flöz Wasserfall liegt eine Tonsteinlage. Neben den winzigen Tonpartikeln (< 0,002 mm Korndurchmesser) enthält diese Schicht etwas gröbere Gesteinspartikel (Schluff: 0,002 bis 0,063 mm). Bei beiden Materialien lassen sich einzelne Körnchen mit bloßem Auge kaum erkennen. Dagegen sind Überreste der nur Stecknadelkopf großen „muschelähnlichen“ Linguliden deutlich in der schluffigen Tonsteinlage zu sehen. Oberhalb der Lingula-führenden Schichten liegen mehrere Meter einer Tonsteinlage, die mit Grabgängen von Planolites ophthalmoides, einem urtümlichen Wurm, übersäht sind. Beide Organismen lebten im Meer. Sie weisen somit auf eine Überflutung des Wasserfall-Moores hin. Das Flöz Wasserfall erscheint hier auffällig mächtig. Entlang einer Störungsbahn (der feste Gesteinsverband ist hier durch eine Art Fuge durchtrennt) schob sich ein Gesteinblock über den anderen, so dass das Flöz zwei Mal auftritt.
Der Weg führt nun entlang der Böschung weiter zum Flöz Dünnebank (Punkt 2). Es liegt über einem 3 m dicken Wurzelboden, einer von fossilen Baumwurzeln durchzogenen Schicht. Sie ist in den obersten 30 cm so vollständig von Wurzelresten durchsetzt, dass das Gestein ein regellos verfilztes Aussehen bekommen hat. Flöz Dünnebank ist nur geringmächtig und war nicht abbauwürdig.
Sandstein und Eisenstein
Sandstein und Eisenstein
Den Nordrand des Geologischen Gartens bildet dann der Sandstein oberhalb des Flözes Dickebank (Punkt 3). Diese Sandstein-Folge zeigt ausgeprägte Schrägschichtung. Auf den Schichtflächen sind zerriebene Pflanzenreste und Stamm-Reste zu finden. Verschiedene Sandsteinbänke zeigen einen kugeligen bis ellipsoidischen, schaligen Zerfall. Dieser Zerfall ist die Folge von Eisenanreicherungen im Gestein. Unter der Sandsteinfolge ist an der SW-Böschung eine schwarze Gesteinslage zu erkennen, die aus Eisenerz (Siderit – Eisenkarbonat) besteht, das stark mit Kohle verunreinigt ist. Diese Erze bildeten sich unter den speziellen chemischen Bedingungen der Moorwässer in Tümpeln und Seen der karbonzeitlichen Waldmoore. (Auch in heutigen Mooren ist das Wasser wegen der darin gelösten Eisenverbindungen meist rostbraun gefärbt.) Diese Eisenerze werden als Kohleneisenstein bezeichnet und können bereichsweise die Kohlenflöze vollständig ersetzen. Derartige Eisensteinflöze wurden im Ruhrgebiet noch bis in die Zeit des 2. Weltkrieges abgebaut. Auch hier war das Flöz Dickebank als Eisensteinflöz ausgebildet. Die ehemalige Zeche „Friederica“ baute hier bis 1897 etwa 2,4 Millionen Tonnen Eisenerz mit durchschnittlich 30% Eisen ab. Den Kohleneisenstein erkennt man am glänzenden, schwarzen Strich beim Anritzen mit dem Messer. In seinem oberen Teil wurden Reste von kleinen Süßwasser-Muscheln gefunden. Sie zeigen an, dass der Kohleneisenstein aus dem eisenreichen Tonschlamm eines Moorsees hervorgegangen ist. In der Westböschung der Grube ist noch ein kleiner Abbauhohlraum einsehbar.
Steinkohlegebirge und Kreidemeer
Steinkohlegebirge und Kreidemeer
Die Sandsteinböschung über dem Flöz Dickebank ist stark aufgelockert. Dies lässt sich durch den damaligen Bergbaubetrieb erklären. Durch den Abbau des Kohlenflözes Dickebank wurden hier Hohlräume geschaffen, die zur Absenkung des Geländes und damit zur Auflockerung der gesamten Böschung führten. Die bisher auf unserem Rundweg betrachteten Gesteine umfassen eine Gesamtmächtigkeit von etwa 60 m. Die Schichtenabfolge angefangen von Flöz Wasserfall über Flöz Dünnebank bis hin zum Sandstein über Flöz Dickebank gehören zu den Bochumer Schichten oder, wie es korrekt heißt, zur Bochum-Formation. Die Bochum-Formation wurde in der erdgeschichtlichen Epoche des Oberkarbons, genauer gesagt im Abschnitt Westfal A (316,5 – 313,5 Millionen Jahren) abgelagert. Am Ende der Westfal-Zeit, etwa 10 Millionen Jahre später, wurden die ursprünglich horizontal abgelagerten Gesteinsschichten bei der Faltung des Variscischen Gebirges steil gestellt. So sehen wir heute diese Schichten mit etwa 60° gegen die Horizontale geneigt.
Schauen wir uns nun noch mal das obere Drittel der Böschungen an: Wir erkennen die bereits erwähnten, nahezu horizontal liegenden Schichten oberhalb der Bochum-Formation. Es handelt sich um wesentlich jüngere Gesteinsschichten aus der erdgeschichtlichen Epoche der Oberkreide (ca. 100 – 65 Millionen Jahren vor heute). Der abrupte Übergang von den steilstehenden zu den flachlagernden Schichten wird in der Fachsprache als Winkeldiskordanz bezeichnet. Zwischen der variscischen Faltung und der Ablagerung der Kreide-Schichten liegen rund 200 Millionen Jahre. In diesem langen Zeitabschnitt wurde das Variscische Gebirge wieder vollständig abgetragen und eingeebnet. Wahrscheinlich wurde das Gebiet mehrfach vom Meer überflutet. Auch die Ablagerungen der Oberkreide, die wir im Geologischen Garten sehen, verdanken wir einem Meeresvorstoß. Das Meer überflutete damals von Norden kommend das gesamte Münsterland und das nördliche Ruhrgebiet. Im Raum Münster herrschten die Bedingungen des offenen Meeres, im Raum Essen – Bochum – Haarstrang lag die südliche Küstenlinie. Das heutige Gebiet des Geologischen Gartens lag also unmittelbar an der Küste des Kreidemeeres. Die Landschaft hatte sich gegenüber der Karbonzeit völlig gewandelt: Beherrschten damals noch Farne, Schachtelhalme und Bärlappgewächse die Pflanzenwelt, so hatte die Natur inzwischen auch „moderne“ Pflanzen hervorgebracht: Koniferen, Palmen und auch regelrechte Blütenpflanzen, wie wir sie heute kennen. Lebten zur Karbonzeit an Land neben den Insekten nur einige Reptilien, so erlebte die Kreidezeit die Blüte und das Aussterben der Saurier, während Vögel und Säugetiere am Anfang ihrer Entwicklung standen.
Gerölle und Klippen
Gerölle und Klippen
Die Oberkreide-Schichten im Geologischen Garten beginnen in ihrem unteren Abschnitt mit einem bis zu ca. 1,5 m dicken Geröllhorizont. Es handelt sich um das sogenannte Basiskonglomerat des erdgeschichtlichen Abschnittes Cenoman. Das Konglomerat ist ein kalkiger Sandstein, der gerundete oberkarbonische Toneisensteinstücke enthält. Wie ist dieses Konglomerat entstanden? Im Brandungsbereich modellierte das Meereswasser mit starker Strömung die steinige Felsküste. Die festen Sandsteinbänke der karbonischen Schichten ragten dabei als Klippen und Kliffs heraus. Von hier wurde gelockertes Gesteinsmaterial herausgespült und sammelte sich in Vertiefungen am Meeresboden. Besonders gut sind solche Geröllansammlungen in der Nordostecke des Geologischen Gartens zu erkennen, am Fuß der Klippe des Dickebank-Sandsteins. Im Laufe der Zeit wurden die zunächst noch eckigen Gesteinsbrocken durch die Kraft des Wasser rund geschliffen. Besonders deutlich lässt sich dieser Vorgang am Fuß der Klippe sehen, die vom Dickebank-Sandstein gebildet wurde.
Eingebettet im Sandstrand dauerte es lange Zeit, bis sich der lockere Sand und die zugerundeten Kiese zu einem Konglomerat verfestigten. Über dem Konglomerat lagerte sich dann ein Sandstein ab, der reich an Fossilien der damaligen Meeresbewohner ist: z.B. Muscheln, spiralig gerollte oder gerade Tintenfischgehäuse, die Ammoniten und Belemniten und mancherlei andere. Das bräunlich erscheinende Gestein wird als Essener Grünsandstein bezeichnet. Dies liegt daran, dass es einen hohen Anteil des Eisenminerals Glaukonit enthält, der in frischem Zustand dunkelgrün gefärbt ist. An der Erdoberfläche verwandelt sich dieses Mineral aber unter dem Einfluß des Luftsauerstoffs in rostbraune Eisenoxide, die jetzt dem Gestein seine Farbe geben. Die flachlagernden Oberkreideschichten zeichnen noch heute den Grund des damaligen Meeres nach. Schauen wir uns den Geologischen Garten an, so wissen wir, dass in Bochum vor 100 Millionen Jahren das Meeresrauschen des Kreidemeeres zu hören war.
Text: V. Bartolović, G. Drodzewski, V. Wrede